Nachdem sämtliches Gepäck vom Schiff ins Gasthaus gebracht wurde, ruhten sich die fünf Jugendlichen davor aus. Aang führte ein nettes Gespräch mit dem Delfin und musste immer wieder feststellen, dass dieser doch kein so schlechter Kerl war, wie er zuerst gedacht hatte.

 

"Ich habe Yue damals getroffen, als ich mit Katara und Sokka zum erstem Mal hier her gekommen bin. Standet ihr euch nahe?" fragte der Avatar und setzte sich in den Schneidersitz. Daraufhin begann Raiden wild an zu lachen. "Ob wir uns nahe standen!?" brüllte er belustigt und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. "Arnook wollte uns verloben!" Sein Lachen verschwand nicht, als Aang ihn aus großen Augen anstarrte.

 

Raiden fing an, sich langsam dem Avatar zu öffnen. "Yue und ich waren wie Geschwister. Schon als wir noch nicht einmal laufen konnten, verbrachten wir jede Minute miteinander. Sie war die Prinzessin und ich war der beste Wasserbändiger des Nördlichen Wasserstammes. Es war, als wären wir füreinander bestimmt." Sein Grinsen wurde noch größer, während er sich rücklings neben Aang fallen ließ. "Wir liebten uns aber nicht wie es Liebende taten. Wie gesagt, wir waren wie Geschwister."

 

Er schloss die Augen, als würde er sich zurückerinnern. "Arnook war davon ganz und gar nicht begeistert. Immerhin war ich der perfekte Ehemann für seine Tochter. Keiner konnte so gut Wasser bändigen wie ich und ich war noch so jung. Er hat mehrmals versucht mich zu überreden. Keine Chance." Schlagartig riss er seine Augen auf und lugte zu Aang. "Da er den besten Wasserbändiger nicht als seinen Schwiegersohn haben konnte, suchte er sich den besten Krieger des Stammes. Hahn wurde schlussendlich Yues Verlobter. So ein arroganter Spinner."

 

Raiden lächelte leicht, wenn auch gequält. "Irgendwie bin ich froh darüber, dass sie ihn am Ende nicht heiraten musste. Ich hätte sie aber schon gerne wiedergesehen." Der Avatar konnte nur nachdenklich nicken. Ihm stellte sich die Frage, weshalb Raiden dann den Wasserstamm verließ. Und bevor er sich versah, hatte er sie laut ausgesprochen.

 

Der junge Wasserbändiger schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Weißt du, Avatar. Es gibt Dinge im Leben, die wichtiger sind, als ein ödes und idyllisches Leben in einer gut beschützten Stadt zu führen. Irgendwie ist das doch ziemlich unfair denjenigen gegenüber, die unter viel schlimmeren Umständen leben müssen, oder? Genau deswegen haben wir vier uns zusammengeschlossen und nehmen jetzt die gesamte Welt unter unseren Schutz."

 

Auch wenn damit die Weltherrschaft gemeint war, so konnte Aang dennoch ein wenig nachvollziehen, weshalb der Goldene Efeu so agierte, wie er es tat. Vielleicht wäre es ja möglich, eine andere Lösung zu finden, die nicht unbedingt die Weltherrschaft verlangte. "Ich glaube, ich kann euch jetzt viel besser verstehen!" rief der Avatar glücklich und schaute in verdatterte Gesichter.

 

"Glaub bloß nicht, dass wir jetzt anfangen, dir zu vertrauen, nur weil Mister 'Zu-Blöd-Zum-Kämpfen' dir seine Lebensgeschichte erzählt hat", keifte der Fuchs und rieb sich ihre Oberarme. Ihr war immer noch eiskalt und jedes Mal, wenn Raiden oder seine Freunde ihr eine dicke Wasserstamm-Jacke angeboten hatte, lehnte sie diese mit einem bösen Blick ab. Der Delfin äffte ihre Mimik nach und machte sich damit über sie lustig, was sie dazu brachte, einfach in Richtung Stadt abzuhauen.

 

Schließlich meldete sich auch der Falke endlich zu Wort. "Delfin, dir ist klar, dass der Avatar jetzt nun deine Vergangenheit kennt? Wie war das mit unauffällig und Geheimhaltung?" murmelte er angespannt. Als erster Anführer konnte er es sich nicht leisten, dass man aus dem Gesagten eventuell Strategien zur effektiven Bekämpfung vom Delfin ableiten könnte. Das würde nicht nur den Wasserbändiger sondern auch seine komplette Organisation in Gefahr bringen. 

 

"Jetzt fang du nicht auch noch an!" jammerte der Junge mit den gewellten Haaren. "Mal abgesehen davon, wirklich unauffällig seid ihr mit euren Masken auch nicht. Alle Leute, denen ihr bereits über den Weg gelaufen seid, haben euch hinterher geschaut und sich gefragt, ob ihr irgendwelche hässlichen Narben im Gesicht hättet, damit ihr es so verstecken müsst." Er grinste. Tatsächlich konnte er diese blöden Masken absolut nicht leiden.

 

Der Falke holte gerade Luft, um dagegen zu kontern, als der Kolibri ihn unterbrach. "Raiden hat Recht, die Masken sind eher hinderlich was das angeht. Vielleicht sollten wir sie nochmal überdenken, was sagst du, Falke?" Sprachlos starrte dieser sie an und schien sich sehr über diese Aussage zu wundern. "Warum genau müssen wir unsere Identität noch einmal verstecken?" stichelte der Kolibri weiter, während ein kleines Grinsen sich auf ihren Lippen breit machte. "Immerhin werden wir die Herrscher über jede Nation. So ganz undurchdacht ist Raidens Einwand nicht."

 

"Naja", stotterte der Falke. Er überlegte sich genau, was er sagen wollte, verwarf den Gedanken jedoch anscheinend wieder und schmiss die Hände in die Luft. "Ach macht doch, was ihr wollt. Den Fuchs werdet ihr sowieso nicht überreden können, das Ding abzunehmen", schmollte er trotzig. Wieder grinste das Mädchen. "Lass das mal Raidens Sache sein!" 

 

 

Es vergingen einige Tage, bis es soweit war und der Tag von Raidens Inthronisierung gekommen war. Da Aang mit ihm das beste Verhältnis hatte, stand er vor seinem Zimmer und wartete auf den neuen Anführer des Nördlichen Wasserstammes. Dieser zog sich gerade um und trat in traditioneller Wasserstammkleidung gekleidet durch die Tür. "Na, wie seh ich aus?" grinste er und wirbelte das dunkelblaue Gewand hin und her. "Wie ein echtes Oberhaupt!" staunte der Avatar und klatschte aufgeregt in die Hände.

 

Raiden kicherte und zog voran in Richtung Eishalle, während Aang ihm freudestrahlend folgte. Noch vor wenigen Tagen wurde er von dem Goldenen Efeu gefangen genommen und nun wurde er bereits von einem von ihnen wie ein Freund behandelt. So schlimm konnten sie also wirklich nicht sein. Zudem der Delfin dann auch noch von Arnook selbst zum neuen Anführer ernannt werden würde. 

 

Kurz bevor die beiden Männer die Eishalle erreichten, begegnete der Kolibri ihnen mit verzogener Miene. Zumindest konnte man das anhand der Augenschlitze und der herunterhängenden Lippen erahnen, da sie immer noch - genau wie die anderen beiden - ihre Vogelmaske trug.

 

"Schlechte Nachrichten, Raiden. Wir erwarten Eindringlinge. Der Bison des Avatar wurde am Himmel gesichtet." Ihre Augen glitten kurz hinüber zum Luftbändiger. Raiden hob zwei Finger an sein Kinn und schien kurz nachzudenken. Sehr kurz. "Ach, lasst sie doch einfach an der Zeremonie teilhaben. Was soll schon passieren?" 

 

Sowohl Aang als auch der Kolibri schauten ihn sprachlos an. "Nun ja. Ein Feuerbändiger allein kann in der EIS-halle schon viel Schaden anrichten. Aber dann gleich der Feuerlord höchstpersönlich?" Sie erinnerte sich für einen Moment an ihre Begegnung mit Zuko in Ba Sing Se und fasste sich an ihre verbrannten Maske. "Und sie haben eine Wasserbändigerin, die du ja bereits austesten durftest. Nicht gerade optimale Bedingungen für eine friedliche Krönung."

 

Raiden winkte jedoch ab. "Sei nicht so negativ. Mein Freund, der Avatar, wird sie sicherlich besänftigen können, oder?" Erwartungsvoll blickte er ihn an und klopfte ihm demonstrativ gegen die Brust. "Und jetzt hopp, ich habe so lange darauf warten müssen! Keine Zeit mehr zum Verschwenden!"

 

"Was für ein Träumer", seufzte der Kolibri und folgte ihm mitsamt Aang.

 

Arnook, der Falke und der Kolbiri sowie sämtliche wichtige Regierungsmitglieder des Nördlichen Wasserstammes und einige Volksvertreter waren bereits in der Eishalle versammelt. "Bring den Quatsch schnell hinter dich und dann hauen wir wieder ab. Diese Eiseskälte ist ja nicht auszuhalten!" grummelte der Fuchs als Begrüßung. 

 

Der Delfin winkte ihr provozierend zu und kniete sich vor Arnook, während Aang und der Kolibri an der Seite vom Falken Platz nahmen. Das Mädchen mit den braunen Haaren blinzelte immer mal wieder zum Eingang; sie ahnte bereits, dass die ungebetenen Gäste gleich hineingerannt kamen und war auf alles vorbereitet. Anders als Raiden, der seine Freude kaum für sich behalten konnte und jedes Mal aufgeregt die Luft anhielt, als das Noch-Oberhaupt ihm ein paar Zeichen mit schwarzer Farbe auf die Stirn und seine Wangen malte.

 

"Wir haben uns heute hier versammelt, um Raiden zum Hauptmann zu ernennen.
Unseren Sohn und Bruder, der eine weite Reise hinter sich gebracht hatte, um zurück zu seinen Wurzeln zu kommen und nun als neuer Anführer des Nördlichen Wasserstammes die Pflicht übernimmt, unser Volk in eine blühende Zukunft zu leiten und uns zu schützen."

 

Arnook trat einen Schritt beiseite und ließ eine der Heilerinnen vortreten, die sich tief vor Raiden verbeugte und ihm irgendeine Flüssigkeit über die Stirn goss. Dies sorgte dafür, dass die Farbe der Symbole begann, an seinem Hals herunter zu fließen und damit dunkle Linien hinterließ. "Erhebe dich, Raiden, 22. Anführer des Nördlichen Wasserstammes."   

 

Der Delfin schloss erleichtert seine Augen. Endlich war es soweit. Mit einer eleganten Drehung präsentierte er sich unter tosendem Applaus den Menschen, die vor ihm standen. Er konnte es nicht ganz fassen. Für den Falken mag es vielleicht nicht so eine große Sache gewesen sein, der Erdkönig zu werden, aber Raiden selbst war überwältigt und musste sich stark zusammenreißen, nicht laut los zu schreien. In Gedanken konnte er seinen Vater sehen, der so stark grinste, dass seine Augen nur noch Schlitze waren und er hob einen Daumen hoch. Seine Mutter stand neben ihm und winkte aufgeregt ihrem Sohn zu. Wie gerne hätte er sie genau in diesem Moment dort gehabt.

 

"HALT!"

 

"Dam dam damm", flüsterte der Kolibri und seufzte erneu, wohlwissend, wer gerade die Krönung sprengte. Katara rannte hastig an den Massen vorbei, hinüber zu Arnook, der sie verblüfft ansah. "Katara! Was machst du denn hier?" murmelte er erstaunt und es formte sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Hinter ihr kamen Sokka und Zuko schnaufend zum Stehen und hielten schon starren Blickkontakt mit dem Falken und dem Fuchs.

 

"Und das ist unser Zeichen", säuselte das blonde Mädchen und richtete sich auf. Sie drehte sich um und wollte zum Gehen ansetzen, als Raiden sie jedoch mit einem Ruf zum Stoppen brachte. "Warte! Wir können noch nicht gehen!"

 

Währenddessen flehte Katara das von ihr geglaubte Oberhaupt inständig an, dass sie das ganze abbrechen sollten. Doch sie war dafür schon zu spät. "Du redest nicht mehr mit dem Anführer. Raiden ist-" Arnook kam nicht weiter, als Zuko bereits einige Feuerwalzen in die Richtung vom Delfin feuerte. Zu seinem Erstaunen war es nicht Raiden, der sie ablenkte. 

 

"Aang!" zog er scharf die Luft ein und schaute mit großen Augen auf seinen Freund hinab. "Hört mir zu!" rief der Avatar lautstark und zog so die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. "Wir müssen dringend reden. Die Dinge haben sich geändert!"

 

Verdattert blickte Zuko ihn an. "Aang, du weißt nicht, wovon du sprichst. Sie haben dich gekidnappt!" stieß Katara aus. Was war in ihren Freund gefahren? War ihm nicht bewusst, welchen Schaden der Goldene Efeu bereits angerichtet hatte? "Sie müssen ihm einer Gehirnwäsche unterzogen haben!" brüllte Sokka und richtete sein Schwert auf den Avatar. 

 

"Schön wär's", hörte er eine leise Stimme neben sich und im nächsten Moment wurde ihm das Schwert schon aus der Hand geschlagen und seine Hände wurden hinter seinem Rücken zusammengedrückt. Der Fuchs grinste ihn überlegen an. Zuko, der vollständig auf den Delfin fixiert war, befand sich bereits grummelnd auf dem Boden, während der Kolibri ihm ein Knie auf den Rücken drückte und die scharfe Klinge eines metallischen Fächers seine Kehle streifte. 

 

"Könnt ihr euch alle mal kurz beruhigen und mir zuhören!!" brüllte Aang wütend und schaffte es, dass der Saal ihn nun tonlos ansah. "Wie wäre es, wenn wir uns alle morgen Abend bei der Krönungsfeier mal zusammensetzen und uns unterhalten?" Kurz herrschte eiskalte Stille, als der Kolibri plötzlich anfing laut los zu lachen. "Es ist also wahr, dass der Avatar ein Weichei ist?" Daraufhin fing sie sich einen bösen Blick vom glatzköpfigen Jungen ein.

 

"Schön, aber gib uns nicht die Schuld, wenn es eskalieren sollte", zischte Katara und ging schnellen Schrittes aus dem Palast. Die beiden weiblichen Mitglieder des Goldenen Efeus ließen derweil ihre Gefangenen frei und beäugten diese misstrauisch. "Sokka!" rief Arnook und legte ihm seine Hand auf die Schulter, während die beiden weiterhin die stechenden Blicke der Umstehenden ertragen mussten.


"Es trifft sich gut, dass du hier bist. Dein Vater wird voraussichtlich heute Abend für die Feierlichkeiten hier eintreffen und ist sicher froh, seinen Sohn nach so langer Zeit wiederzusehen." Dabei schoss Raiden sofort eine Augenbraue nach oben und er sprintete auf die beiden zu. "Moment! Wer ist dein Vater?" fragte der Braunhaarige ohne zu zögern. Sokka verzog misstrauisch seinen Mund und wollte nicht antworten, doch Arnook übernahm das zu seinem Missfallen für ihn. "Der gute alte Hakoda ist das Oberhaupt des Südlichen Wasserstammes und ist gerade auf dem Weg, um dich offiziell zu begrüßen."

 

"HAKODA?" Raidens Augen glitzerten vor Freude.

 

"Wart's ab, es kommt noch besser! Als Pakku gehört hat, dass du gekrönt werden solltest, ist er wohl sofort Feuer und Flamme gewesen und hat Hakoda begleitet." 

 

"MEISTER PAKKU AUCH?"

 

"Jetzt hör doch mal auf herumzuschreien, du Idiot!" Der Fuchs hatte schließlich genug und schlug ihm mit dem Griff ihres Dolches auf den Kopf. "Aua." Weiterhin nicht sonderlich beeindruckt von Raiden, grübelte Sokka darüber nach, weshalb er seinen Vater kannte und anscheinend eine gute Beziehung zu ihm hatte.