Wiedersehen mit den Ly's

 

Als Sada am Haus ankam, konnte sie bereits den Lärm von draußen hören. Sie schüttelte wissend den Kopf. Das konnte nur ein außerordentliches Chaos sein.

Sie drückte den Klingelknopf am Tor und wartete bis jemand raus kam. Es dauerte eine Weile, aber sie sah wie Joco mit völlig zerwuschelten Haaren zu ihr stolperte.

 

"Da drinnen geht es ganz schön zur Sache, bist du sicher, dass du rein willst?" witzelte er, öffnete jedoch das Tor, als Sada nicht darauf reagierte. Leider hatte er wirklich recht damit gehabt, denn kaum schob sie die Schiebetür beiseite, wurde sie beinahe von einem Kissen abgeworfen. Entsetzt sah sie das Ausmaß des Chaos.

 

Yoh schaute sie entschuldigend an; er hatte wahrscheinlich das Kissen geworfen. Sadas Blick ging jedoch in Richtung Natsuki und Min, die freudig und lachend auf dem Sofa rumhüpften. Trey schaute ihnen vergnügt zu, während er sich irgendein Getränk hinterkippte. Sie hoffte, dass es kein Alkohol war. Ren lag mit seinem Oberkörper halb auf dem Tisch und schlief. Auf ihm hatte jemand Oreo Kekse gestapelt; der größte Turm bestand aus sieben Keksen. Die Geister hatten sich in einer Ecke versammelt und sahen ziemlich verstört aus. 

 

Von der lauten Musik genervt, stapfte Sada zum Radio und schaltete es leiser. Das ließ die beiden Mädchen auf sie aufmerksam werden. "Sada!" riefen sie glücklich und forderten sie auf mit ihnen zu spielen, doch sie lehnte dankend ab. Sie fragte Yoh, in welchem Zimmer sie ihre Sachen ablegen durfte und er führte sie in das obere Stockwerk. Dort war es wesentlich ruhiger.

 

"Es ist ein bisschen eskaliert", erklärte Yoh und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Sada nickte nur, sie hatte sich das fast schon gedacht. Gemeinsam gingen sie wieder ins Wohnzimmer und dann auch gleich durch bis in die Küche, wo Manta fleißig kochte. Dort fanden sie auch Ren sitzen, der völlig fertig aussah.

 

Sada nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben ihn, ihn mit fragenden Blicken durchlöchernd. Als Ren dies bemerkte, schüttelte er nur mit dem Kopf. "Deine Freundinnen sind echt unglaublich nervig", rief er und nahm einen Schluck Tee zu sich. Sada konnte bei diesem Kommentar nur lachen. "Wem sagst du das." Sie bat Manta ihr auch einen Tee aufzugießen.

 

In diesem Moment hörten sie einen lauten Schrei. Da Sada nicht sonderlich Lust darauf hatte, sich um Probleme zu kümmern, schickte sie Yoh, um nach dem Rechten zu sehen. Kurz war Stille, dann hörte man ihn aus dem Wohnzimmer lachen. "Hallo Ryu!" 

 

Die letzten beiden Gäste waren eingetroffen. Sofort stürmte Ju Lyn zu Min und umarmte diese heftig. "Ich hab mir solche Sorgen gemacht!" warf sie ihr vor. Doch diese lächelte nur und sprang weiter auf dem Sofa. "Ich habe mich verlaufen aber dann Ren und Trey getroffen. Wir waren zusammen in einem Café und Trey hat uns sogar einen Tee ausgegeben", erzählte sie und sah ihn an. Der Ainu errötete leicht.  

 

Ju Lyn dankte ihm und folgte Ryu in die Küche, wo sie auf Sada traf. Diese hatte sich Ren angeschlossen und lag mit ihrem Gesicht auf dem Tisch. Ju Lyn musste kichern, sowas sah man nicht oft von ihrer Freundin. "Wir haben Chips und Cola mitgebracht. Ryu hatte die Idee ein paar Spiele zu spielen", berichtete sie und legte die Einkäufe auf die Küchenzeile. Manta fand die Idee super und segnete sie ab. "Ich glaube, wir müssten hier irgendwo Monopoly haben", murmelte er und machte sich auf die Suche.

 

 

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Es war schon dunkel, als sich alle im Wohnzimmer versammelten. Die Idee Monopoly zu spielen kam bei den meisten gut an, da sie aber zu viele waren, mussten sie sich zu Zweierteams zusammenschließen. Yoh machte den Vorschlag, dass sie Jungen und Mädchen mischen sollten, damit es nicht die typischen Paare werden würden. So endeten nach langen Diskussionen mehr oder weniger freiwillig Yoh und Natsuki, Trey und Sada, Ren und Ju Lyn, Joco und Min und Ryu und Manta zusammen.

 

Man merkte schnell, dass Yoh's Idee unglaublich nach hinten los ging. Nachdem Ren und Ju Lyn schon eine Farbgruppe vollständig hatten und bereits Häuser gekauft hatten, rasteten Joco und Min aus, weil sie bereits das vierte Mal im Gefängnis landeten. Beinahe schmiss auch Ryu das Spielbrett um, da Manta drei Mal einen Pasch gewürfelt hatte und sie ebenfalls im Gefängnis landeten.

 

Sada und Trey machten dabei langsam Ren und Ju Lyn Konkurrenz, indem sie alle vier Bahnhöfe, sowie die Schlossallee und die Parkstraße gekauft hatten und ständig Geld einsammeln konnten. Das meiste kam dabei von Yoh und Natsuki, die allmählich ihre Geduld und den Spielspaß verloren, da sie ständig Miete zahlen mussten, aber noch keine einzige Straße kaufen konnten. Am Ende blieben dann nur noch Sada und Trey und Ren und Ju Lyn übrig, da letztere die anderen drei Teams abgezockt hatten und ein riesiger Streit daraus entstand.

 

Während sich also diese beiden Teams mit Hotels und Geldscheinen überhäuften, hauten sich die anderen beinahe die Köpfe ein. Manta schlichtete den Streit schließlich und sorgte dafür, dass die Verlierer einen Film einschalteten, bei dem fast alle einschliefen.

 

"Bankrott!" lachte Trey und hielt Ren seine Hand hin, um seine letzte Miete zu kassieren. Selbst Sada hatte sich vollends in dieses Spiel hineingesteigert und freute sich gemeinsam mit ihrem Partner, dass sie gewonnen hatten. Ren war ganz und gar nicht begeistert und schlug auf das Spielbrett, sodass alle Figuren durch den Raum flogen. "Hey!" meckerte Trey.

 

Erst jetzt bemerkten die vier, dass die anderen bereits eingeschlafen waren. Yoh lag an einem Ende des Sofas. An ihm lehnte Natsuki, an dieser Min und an Mins Schulter schlief Ryu. Manta und Joco lagen vor der Couch und hatten all ihre Glieder von sich gestreckt. Sada und Ju Lyn deckten jeweils beide Gruppen zu und bewunderten ihre Werke. "So ruhig waren sie schon lange nicht mehr", genoss Sada die Ruhe. Ju Lyn fügte nur ein "wie süß" hinzu. Dann gingen die vier geschlossen nach oben und legten sich auch schlafen.

 

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Am nächsten Morgen stand Sada wieder einmal als Erste auf. Ihr Kampf war recht früh am Morgen und deshalb tapste sie leise die Treppe herunter, um niemanden aufzuwecken. Als sie am Fuße der Treppe ankam, musste sie leicht schmunzeln. Nur noch Yoh und Natsuki lagen auf der Couch, während Ryu und Min es sich auf dem Boden neben den anderen gemütlich gemacht hatten. Seltsamerweise waren auch Ren und Trey in diesem Haufen zu finden. Vielleicht waren sie einsam gewesen in ihrem Zimmer.

 

Sada ging schnell im Erdgeschoss duschen und verließ dann nach einem kurzem Snack das Haus. Der Kampf würde auf dem nahegelegenden Friedhof stattfinden und sie musste sich langsam beeilen, wenn sie nicht zu spät kommen wollte.

 

Der Weg zum Friedhof dauerte ungefähr zehn Minuten und wie bereits erwartet, waren die Mädchen schon da. Auch der Schiedsrichter, der anscheinend neu gewesen war, war anwesend. "Du bist Sadako?" rief er ihr zu, als sie sich kampfbereit machte. Nickend stellte sie sich auf ihre Position. Sharona lachte ihr entgegen. "Sieh mal einer an, da bist du ja doch noch gekommen. Hosen voll gehabt?"

 

Sada ignorierte das dämliche Gelaber ihrer Gegnerin und wartete auf das Piepen des Orakel Pagers, das den Kampf beginnen lassen sollte. Sharona unterhielt sich währenddessen mit ihren Freundinnen und machte sich über Sadas Kleidung lustig. "Wir haben es hier anscheinend mit einem Modeopfer zu tun. Nach dem Kampf sollten wir ihr dringend ein paar Shopping Tipps geben, Mädels."

 

Geduldig ertrug sie die Worte und das Gelächter der Mädchen, bis endlich ein lautes Piepen zu hören war. In diesem Moment hatte Sada schon längst ihre Peitsche ausgeschlagen, die sich um die Pfeife ihrer Kontrahentin schlang. Mit einem kräftigen Ruck zog sie die Pfeide aus der Hand von Sharona und ließ sie hart auf den Boden prallen. 

 

Sprachlos musste Sharona mit ansehen, wie sich die Peitsche immer fester um ihr Medium und dem sich darin befundenen Schutzgeist schlang. Mit einem kurzen Seufzen sah Sada ihre Gegnerin an und zog noch einmal an ihrer Peitsche. Der Rest geschah wie in Zeitlupe. Die Pfeife zerbrach unter dem großen Druck und damit verlor Sharona ihre Geistkontrolle und ihr Medium zugleich.

 

Sada wartete noch kurz ab, setzte dann aber zum Gehen an, nachdem der Schiedsrichter ihren Sieg offiziell anerkannt hatte. Sie konnte nur noch ein leises Wimmern hören und ein paar wütende Schreie wahrnehmen, ehe sie am Horizont verschwand.

 

 

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Am Haus von Yoh angekommen staunte Sada über die Ruhe. Waren die anderen etwa immer noch nicht wach? Sie öffnete die Tür und trat ein. Tatsächlich lagen noch einige ihrer Freunde auf dem Boden, doch Yoh und Natsuki nicht mehr auf dem Sofa. Sie sah in der Küche nach.

 

Dort traf sie auf Ryu. "Mhh, guten Morgen Sada", grüßte er sie nur in Jogginghose begleitet. Seine Haare waren ungekämmt und noch nicht gestylt, sie fielen einfach so von seinem Kopf. Es war ihr etwas unangenehm ihn so zu sehen, doch sie setzte sich zu ihm an den Tisch. "Möchtest du etwas Kaffee?" fragte er sie freundlich. Nachdem sie zugestimmt hatte, brachte er ihr eine Tasse und schüttete das Getränk hinein. Sie roch daran und nahm den strengen Geruch in ihrer Nase auf.

 

"Du hast heute auch deinen Kampf, nicht wahr?" fing er ein Gespräch an und sah sie durchdringend an. Als Sada ihn daraufhin anschaute, musste sie unweigerlich feststellen, dass er ja doch ganz gut aussah war. Ihr Blick glitt von seinen Augen über sein Kinn bis hinunter zu seiner Brust. Sofort schoss ihr die Röte ins Gesicht und sie drehte sich schnell von ihm weg.

 

"Ist alles okay mit dir?" fragte er und griff nach ihrem Arm. Diese Berührung brachte sie nur noch mehr aus dem Konzept. Hastig zog sie ihren Arm weg und wedelte sich mit der Hand Luft zu, um wieder herunter zu kommen. Ihr Verhalten gerade war echt lächerlich.

 

Aus dem Augenwinkel konnte sie eine Person am Fenster stehen sehen. Als Sada sich genauer darauf konzentrierte, bemerkte sie, dass es eine von Sharonas Freundinnen war. Genervt und noch immer leicht verwirrt stand sie auf und öffnete das Fenster. Die frische Luft tat ihr gut. Gleichzeitig starrte sie das braunhaarige Mädchen finster an. Diese erschrak, als sie ertappt wurde. 

 

Ryu bemerkte dies und trat nun ebenfalls ans Fenster, um heraus zu sehen, jedoch nicht ohne Sada dabei an der Schulter zu streifen. "Ach hallo Millie, schön dich zu sehen!" Sada wich zurück und musste sich wirklich anstrengen, nicht allzu rot zu werden. Was war nur in sie gefahren? Um sich zu beruhigen nahm sie einen Schluck Kaffee. Sie kam aber nicht drumherum, sich dabei zu erwischen, wie sie erneut auf Ryus Rücken schielte. Dabei verschluckte sie sich und hustete plötzlich laut los. 

 

Als Ryu ihr zur Hilfe eilte, lehnte sie mit ihrer Hand winkend ab. Sie entschuldigte sich und verschwand im Badezimmer. Dort verbrachte sie eine Weile, um auch wirklich sicher zu gehen, dass sie nicht mehr rot im Gesicht war. Kaum trat sie wieder mit neuem Mut aus dem Bad, schaute sie in die Augen von Natsuki. "Hat sich da jemand in den Großen verguckt?" grinste diese wissend.